Text und Gesang – das mittelalterliche Lied
Mittelalterliche Lyrik ist von Anfang an gesungen worden. Die Melodien verraten viel darüber, wie die Texte verstanden und verbreitet wurden. In der Frühzeit der deutschen Liedüberlieferung schrieb man die Melodien allerdings nicht auf – vermutlich, weil viele von ihnen ohnehin bekannt und den Menschen im Ohr waren. Umso interessanter ist, dass und in welcher Form im späten Mittelalter die Musiknotation zunimmt. Selbst wo sie fehlt, können aus der Strophenkunst Rückschlüsse auf die musikalische Struktur gezogen werden.
Die genaue Kenntnis der verschiedenen Handschriften, in denen Lieder überliefert sind, ist für das Verständnis dieser Gattung essentiell. Mittelalterliche Bücher können repräsentativ oder für den privaten Gebrauch angelegt sein, sie können die Lieder in Zyklen anordnen oder mit anderen Gattungen kombinieren. Jede Überlieferungsform sagt etwas über das zeitgenössische Verständnis des Einzeltextes und der ganzen Gattung aus. Dieses Verständnis wird in dem Projekt herausgearbeitet.
Das Vorhaben umfasst folgende Teilbereiche:
I. 1. Überlieferungsgeschichte und -typologie der bis ca. 1350 entstandenen deutschsprachigen Lieddichtung ‚literarischen‘ Anspruchs (Minnesang, Sangspruchdichtung, Leichs; geistliche Lieder in der Formtradition des Minnesangs),
I. 2. Beschreibendes Verzeichnis der Überlieferungsträger des 12. bis 16. Jahrhunderts (ca. 280 Textzeugen; überwiegend Codices: Liederhandschriften, Liederbücher, Liederhefte, Sammlungen oder Gruppen in gattungsfremdem Kontext, einzelne Nachträge, dazu Fragmente; einige Rollen; Inschriften, Drucke),
II. Deutsche Strophenkunst in lateinischem Gebrauch (Fallbeispiele).